IAA Visionary Club: Startup Day

"Design Thinking in der Rechtsabteilung: Wie Innovationen die Unternehmenskultur von Start-ups prägen" - Interview with Dr. Volker Hartmann von VAY

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Design Thinking in der Rechtsabteilung: Wie Innovationen die Unternehmenskultur von Start-ups prägen

Wenn Start-ups mit ihren Innovationen die Grenzen des technologisch Machbaren ausloten, prägt das nicht nur ihre Entwicklungsabteilungen. Die neueste Folge des IAA MOBILITY Visionary Club vom VDA Future Tech Day zeigt: Die Arbeit an neuen Technologien erfordert agiles Denken quer durchs Unternehmen – und bisweilen den bewussten Bruch mit traditionellen Strukturen.

Mit dem Produkt die Mobilität revolutionieren, aber in den Unternehmensstrukturen traditionell denken und arbeiten? Funktioniert nicht, sagt Dr. Volker Hartmann, Global Vice President of Legal and Governmental Affairs bei Vay – zumindest nicht in seinem Verantwortungsbereich.

Der Technologieanwalt hat jahrelange Erfahrung in der Automobilindustrie und bei großen Automobilherstellern. Inzwischen ist er mit Vay für ein Unternehmen tätig, das an einem neuen Ansatz für fahrerlose Mobilität arbeitet: einer Teledrive-Technologie. „Wir wollen dazu beitragen, Transportprobleme in Metropolregionen zu lösen“, so Hartmann. Der Mobilitätsservice, den Vay anbieten will: Kunden können mit einer App ein Elektroauto bestellen, das per Fernsteuerung an die gewünschte Adresse gebracht und nach der Fahrt auch wieder ferngesteuert geparkt wird. Dank der Technologie kann das Fahrzeug aus der Ferne von einem geschulten Fahrer gesteuert werden – Vay nennt das „Telefahren“. Damit entfällt für die Kundschaft die zeitaufwendige Suche nach einem Carsharing-Fahrzeug und einem Parkplatz.

Die Technologie ergänzt die Idee des Autonomen Fahrens um den Faktor Mensch: Das Telefahr-System soll so entwickelt werden, „dass es genauso sicher ist, als säße jemand auf dem Fahrersitz“, so die Website des Unternehmens. Der Dienst soll noch in diesem Jahr in Hamburg auf den Markt kommen – dann bereits ohne Fahrer im Fahrzeug.

Die Zukunft der Mobilität ist auch rechtlich komplex

Nicht nur für Entwickler, auch für Juristen ist die Markteinführung einer neuen Technologie eine komplexe Aufgabe. Sie müssen sicherstellen, dass am Ende ein rechtlich sicheres und verlässliches Produkt auf dem Markt kommt. „Wir haben hier eine neue Technologie, die neue rechtliche Fragen aufwirft und dabei auch viele regulatorische Fragestellungen berührt“, sagt Hartmann. „Wir müssen viele Dinge einfach anders angehen als eine traditionelle Rechtsabteilung“, so der Jurist im IAA MOBILITY Visionary Club auf dem VDA Future Tech Day, der Mittelstand und Automotive Start-ups im Urban Colab in München zusammenbrachte. Ziel der Veranstaltung: Bekannten und neuen Playern eine Plattform für Austausch und Begegnung bieten. Denn gerade Kooperationen zwischen Start-ups und etablierten Unternehmen können erhebliches Potenzial für die Mobilität der Zukunft bergen.

Der Jurist als Übersetzer

Eine ideale Kulisse also für ein Gespräch über die Frage, wie die Beschäftigung mit einer Zukunftstechnologie die Arbeit in einem jungen Unternehmen weit über die Grenzen der Entwicklungsabteilungen und bis in die Rechtsabteilung hinein beeinflusst. Diese habe bei Vay ein vielfältiges Aufgabenfeld, sagt Hartmann. „Wir befassen uns mit kommerziellen Verträgen und Corporate Law, also Dingen, die in jedem Unternehmen anfallen, aber auch mit Fragen, die stark vom Produkt und von der Technologie getrieben werden. Daher haben wir viel mit Ingenieuren zu tun und müssen dabei auch zwischen den Fachsprachen übersetzen.“ Für die Mitarbeiter der Rechtsabteilung bedeute das: „Man muss sehr kreativ und gleichzeitig strukturiert sein. Agil im Denken, aber verbindlich im Rechtsrat.“

Die Komplexität des Produkts und die enge Zusammenarbeit mit den Ingenieuren wirke sich auch darauf aus, wie die Rechtsabteilung die eigene Arbeit strukturiere – moderne Denkansätze, Methoden und Prozesse inklusive. „Wir nutzen zum Beispiel Design Thinking in unserer juristischen Arbeit sowie ein digitales Ticketsystem, mit dem uns die Kollegen aus der Entwicklung um rechtlichen Rat bitten können, und ein digitales Kanban-Bord – Tools, die in der Arbeitswelt der Ingenieure üblich sind.“

Agiles Arbeiten noch die Ausnahme

Diese digitale, agile Organisation sei für Rechtsabteilungen freilich noch ungewöhnlich. Und offenbar nicht nur für diese: Zwar wünschen sich viele Mitarbeiter in deutschen Unternehmen agiles Arbeiten mit modernen Methoden und den flachen Hierarchien, die dafür Voraussetzung sind. Realität scheint das aber in der Regel noch nicht zu sein, wie eine Umfrage aus dem Jahr 2020 des Jobportals Stepstone und des Beratungsunternehmens Kienbaum unter Fach- und Führungskräften ergab. So gaben etwa 71 Prozent der Befragten an, es gebe keine agilen Rollen in ihrer Organisation. Und 61 Prozent der befragten Fachkräfte wünschten sich flache Hierarchien, doch nur 32 Prozent arbeiteten tatsächlich bereits in ihnen.

Noch scheinen agile Methoden also nicht in der Breite angekommen zu sein. Auch für Start-ups eine Herausforderung: die agile Arbeitshaltung und Kultur auch dann zu erhalten, wenn das Unternehmen wächst und aus dem Start-up irgendwann ein Branchenprimus wird. Das sieht auch Hartmann: Es wäre wünschenswert, sich auch bei Wachstum ein bisschen Start-up-Kultur zu erhalten, um weiterhin kreativ zu sein –  so sein Wunsch für die Zukunft. Schließlich ist die Agilität im Denken für ihn inzwischen Grundanforderung: „Ich erwarte von meinen Mitarbeitern, dass sie auf Augenhöhe mit unseren agilen Ingenieursteams sind. Dazu muss man ihre Sprache sprechen und ihre Tools nutzen. Denn das ist die Art und Weise, wie sie arbeiten.“

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