Agil, fokussiert, kreativ: Start-ups als Innovationstreiber der Automobilindustrie
Wer gestaltet die Zukunft der Mobilität, innovative Start-ups oder die etablierten Autohersteller? Idealerweise tun sie sich zusammen. Die Reise geht in Richtung Partnerschaft – warum und wie diese zum Innovationsmotor werden kann, diskutiert der IAA MOBILITY Visionary Club in seiner jüngsten Folge. Sie ist der Auftakt zu einem Sommer-Special, das sich dem Thema Start-ups widmet.
Volkswagen tut es. Porsche tut es. Mercedes auch, genauso BMW, Continental oder Bosch. Diese Liste ließe sich noch lange weiterführen. Kaum ein Hersteller oder großer Zulieferer in der Automobilindustrie will noch ohne Programme wie Inkubatoren oder Accelerator auskommen, mit denen die etablierten Player vielversprechende Mobilitäts-Start-ups suchen, fördern und im Idealfall in Partnerschaften einbinden. Dabei wird auch entsprechend investiert: So haben Automobilhersteller allein zwischen Anfang 2020 und Sommer 2021 private Finanzierungsrunden mit einem Gesamtwert von über 9,6 Milliarden US-Dollar durchgeführt, errechnet eine Analyse des Nachrichtenportals Crunchbase.
Kooperationsfreude als Antwort auf Innovationsdruck
Die Kooperationsfreude ist dabei auch dem Innovationsdruck geschuldet, der auf der Branche lastet und den aktuelle Herausforderungen wie der Umstieg auf E-Mobilität oder die fortschreitende Digitalisierung nochmal spürbar erhöhen. „Neue Technologien und neue Geschäftsmodelle sind essenziell für die Zukunft der Mobilität“, sagt auch Jürgen Bilo im IAA MOBILITY Visionar Club. Bilo ist Managing Director der co-pace GmbH, des Start-up-Programms von Continental.
Neues ist also gefragt, und Innovationen gedeihen in der Welt der Start-ups nun mal besonders gut: Sie sind klein, agil und haben einen klaren Vorteil, wie Stefan Cülter sagt. Er ist bei der Volkswagen-Tochter CARIAD verantwortlich für Start-up Cooperations und Scouting: „Sie fokussieren kristallklar auf eine Nische und auf ein Problem, während beispielsweise ein großer Zulieferer ein breites Zielpublikum hat und quasi jedermanns Probleme lösen muss.“ Zu diesem Fokus komme der Zugang zu Milliarden von Venture Capital. Auch CARIAD selbst investiert in Start-ups – und profitiert. „Zu beobachten, wie sie Probleme angehen und lösen: Davon können wir viel lernen“, so Cülter.
Frischzellenkur trifft auf Finanzspritze
Wenn sich große Namen und junge Ideen zusammentun, ist das im Idealfall ein Deal auf Gegenseitigkeit: Für große Unternehmen wirkt die Nähe zu kreativen Start-ups im besten Fall wie eine Frischzellenkur. Die jungen Unternehmen sind dann Innovationsschmieden und Tempomacher zugleich. Und auch die Start-ups gewinnen natürlich durch Kooperationen mit den etablierten Playern – auch abseits der Finanzspritzen. „Große Unternehmen können skalieren, einen Proof of Technology bieten und sie haben Zugang zu riesigen Märkten“, sagt Bilo. Zudem hat ein großer Name auf der Kundenliste Strahlkraft mit Signalwirkung für die ganze Industrie.
Auf dem Weg zu neuen Produkten
Damit wirklich alle Seiten von diesen Partnerschaften profitieren, sei allerdings ein klarer Fokus nötig, befindet Cülter, und das schon von Anfang an: „Unternehmen kooperieren oft nur um der Kooperation willen mit Start-ups, ohne dass es einem Sinn dient oder irgendwelche Probleme löst“. Bei CARIAD fahre man dagegen die Strategie, Herausforderungen im eigenen Unternehmen zu identifizieren, sie mit Hilfe von Start-up-Lösungen anzugehen und dann zum Kunden des jungen Unternehmens zu werden, wenn es passt. Wichtig dabei: zu wissen, was man sucht. Das betont auch Bilo: „Wir schauen uns nach strategisch oder operational relevanten Themen um. Es geht uns darum, neue Produkte, neue Produkt-Portfolios und neue Strategien zu kreieren.“ Daraus seien Partnerschaften wie die mit Apex.AI entstanden. Mit dem bereits zertifizierten Meta-Betriebssystem des Unternehmens will Continental die Entwicklungszyklen neuer Mobilitätsfunktionen für das automatisierte und autonome Fahren deutlich verkürzen.
Offenheit wird zur Führungsaufgabe
Doch innovative Lösungen von Start-ups, auch das ist klar, integrieren sich nicht von selbst in ein großes Unternehmen. Dazu brauche es die richtige Haltung sowie ausreichend Spielraum und Ressourcen, sagt Bilo. „Das ist eine Führungsaufgabe.“ Aber eine mit Potenzial, weil sie Innovationskraft und -geschwindigkeit eines Unternehmens erhöhen kann. Denn was nötig sei, um innovativer zu werden, sei klar, so Bilo: „Wir müssen neugierig sein – und schnell.“