Staffel 2

Charging infrastructure in Europe – what we can learn from pioneers

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LADEN 2.0: VON DER LAST ZUR LUST

Die Elektromobilität kommt schneller in Fahrt als erwartet – das macht den Aufbau intelligenter und ausreichender Ladenetze zur Mammutaufgabe. Führende Akteure der Branche diskutieren im Visionary Club der IAA MOBILITY, wie die Ladeinfrastruktur der Zukunft aussieht – und wie sie sogar zum Erlebnis werden kann.

Die Zahlen sind vielversprechend. Im letzten Jahr war jeder fünfte Neuwagen in Deutschland ein Elektroauto. Immer mehr Käufer wählen ein batterieelektrisches Fahrzeug (BEV) – auch weil die Kosten gegenüber Verbrennern längst wettbewerbsfähig sind.

EINE DEKADE DES WANDELS

Dass die Elektromobilität gerade ihren Durchbruch erlebt, bestätigt auch Michael Hajesch, CEO von IONITY, im Visionary Club der IAA MOBILITY: „In der Zeit der Pandemie gab es einen Wendepunkt, einen echten Meilenstein. Wir konnten als Anbieter von Ladeinfrastruktur allein im letzten Jahr eine Vervierfachung der Vorgänge feststellen.“ Darüber hinaus geben Studien der Boston Consulting Group Anlass zu Optimismus. Sie sagen bereits für das Jahr 2025 eine Dominanz von BEVs bei den europäischen Neuzulassungen voraus.

Doch in den nächsten Jahren wird entscheidend sein, dass die Ladeinfrastruktur parallel zur starken Nachfrage mitwächst. Der avisierte Sprung von aktuell 400.000 öffentlichen Ladepunkten in der EU auf 2,7 Millionen bis 2030 ist eine riesige Aufgabe. Das Ladenetz muss dabei nicht nur dichter, gut erreichbar, sicher und stabil sein, sondern sich auch an neuen Benutzergewohnheiten und veränderten Mobilitätsbedürfnissen orientieren. Nachfragebasierte Dienste, Sharing Communities oder Multi-Model-Mobility sind dabei nur einige Buzzwords. Die Experten im IAA MOBILITY Visionary Club sind sich deshalb einig: Es wird ein völlig neues Ökosystem für das Laden entstehen, das digitale und analoge Welten in neuen Geschäftsmodellen vereint.

CHARGE ON THE GO

Für Maria Vassilakou, frühere Verkehrsstadträtin in Wien und Mitglied des Boards im EU-Projekt Horizon Europe, wird „die künftige Infrastruktur ganz anders aussehen als übliche Tankstellen.“ Das glaubt auch Andreas Aumann, der bei BMW als Vice President Strategic Product Management tätig ist: „Wenn wir es richtig angehen, wird das Aufladen viel spannender als das Befüllen eines Tanks. Dabei ist zeit-synergetisches Laden extrem wichtig.“ Gemeint ist damit die Zeit, in der das Auto sowieso parkt – zu Hause, auf der Arbeit, beim Sport oder Shopping. Wenn reibungslose und bequeme Ladevorgänge überall selbstverständlich sind, kann sich Maria Vassilakou sogar vorstellen, größere Reisen mit längeren Ladepausen aufzuwerten – und dass das Laden somit zum Teil der User Experience werde. Charge Points böten kleinen Städten entlang der Autobahn eine echte Chance. Sie hätten das Potenzial, mit touristischen Aktivitäten zu punkten, was das Laden auf dem Land zum Erlebnis mache.

ADMINISTRATIVE HÜRDEN ÜBERWINDEN

Ladeinfrastruktur sollte deshalb künftig in die Stadtplanung einbezogen werden. Zumal der Kampf zwischen Verkehrsteilnehmern im urbanen Raum längst entbrannt ist. Im Spannungsfeld von Ökologie, Verkehrsberuhigung sowie den Interessen aller Stakeholder steht die Elektromobilität oft nicht an erster Stelle, Genehmigungsverfahren sind häufig noch schwerfällig. „Wir warten im Schnitt sechs bis acht Monate auf eine Zusage. Das muss wesentlich effizienter gehen.“ Darüber hinaus sei auch der Zugang zum Stromnetz nicht immer einfach, weiß Michael Hajesch.

Solange administrative Hürden das Wachstum drosseln, bestehe das Risiko von Engpässen – darüber sind sich die Teilnehmer des IAA MOBILITY Visionary Clubs einig. Markus Hagenmaier, Associate Director der Boston Consulting Group, vermutet, dass es zu Spitzenzeiten, wenn die Menschen nach Feierabend zu Hause laden, durchaus Lieferengpässe geben wird. „Darauf müssen wir uns vorbereiten. Denn dies kann sogar zu einem Rückgang bei der Nachfrage von E-Fahrzeugen führen.“ Eine Befürchtung, die auch Experten außerhalb des IAA MOBILITY Visionary Clubs teilen. Lennart Verheijen, Head of Innovation beim niederländischen Ladesäulen-Betreiber GreenFlux, meint: „Die Dinge werden vielleicht erst schwieriger, bevor sie wieder besser werden.“

DAS INTELLIGENTE NETZ

Der reine Ausbau von Ladepunkten ist also keine Lösung. Tomas Björnsson, Vice President E-Mobility bei Vattenfall, bestätigt das: „Wir brauchen nicht einfach mehr Spots. Denn die Netzkapazität hat ihre Grenzen. Rund neun Prozent des städtischen Stroms werden in Zukunft für Elektrofahrzeuge bereitgestellt.“ Er fügt hinzu, dass in seiner Heimat Skandinavien viele Menschen an der heimischen Wallbox laden. High-Power-Charging sei vor allem im öffentlichen Raum interessant, müsse dort aber auch in ausreichender Menge zur Verfügung stehen. Der Bedarf an Ladeleistung sollte daher lokal quantifiziert werden, um Warteschlangen zu vermeiden, während intelligente Software beim Smart Charging Fahrzeuge und Netze verbindet. Die Fahrzeugbatterien können einen Beitrag zur Stabilität der Stromnetze leisten, indem sie Energie zurückspeisen, wenn es der Bedarf und das individuelle Nutzerverhalten erlauben.

KOLLEKTIVES MITEINANDER

Während Elektrofahrzeuge selbst immer mehr Komfort und Sicherheit bieten, müssen Bequemlichkeit und Effizienz während des Ladeprozesses – wie zum Beispiel beim kontaktlosen Laden – noch weiterentwickelt werden. In den kommenden Jahren geht es daher nicht um Utopien, sondern um praxisnahe Lösungen. Nur dann kann die Ladeinfrastruktur mit dem Boom der Elektromobilität Schritt halten. Markus Hagenmaier glaubt an die Bewältigung dieser großen Aufgabe – durch die Zusammenarbeit von Politikern auf Bundes- und Regionalebene, Stromversorgern, Netzbetreibern, Stadtplanern und Anbietern von Ladesäulen. „Da wird noch viel passieren. Ich freue mich darauf, denn ich glaube, vieles wird besser.“