Urban Mobility

Wenn der Sprachassistent zum Beifahrer wird

Siri, Alexa, Cortana, Bixby – Sprachassistenten durchdringen heute fast alle Bereiche des täglichen Lebens. Sie sind vom Smartphone oder Computer abrufbar, steuern Licht und Kühlschrank im Smart Home. Auch in modernen Autos sind sie längst eingezogen – eine Mischung aus Butler und Sprachschüler. Foto © 2021 Mercedes-Benz AG

Nichts muss bei einem Sprachassistenten eingeschaltet, keine App geöffnet, nicht eine Funktion darin gesucht und angeklickt werden. Für die Fahrt im Auto ist das ideal. Denn die ablenkungsfreie Nutzung bleibt das Maß aller Dinge. Was viele nicht wissen: Bei Tempo 130 bedeutet der Blick auf das Smartphone 36 Meter Blindfahrt, bei Tempo 50 sind es noch 14 Meter. Fast 75 Prozent der deutschen Autofahrer sind laut einer Analyse des Allianz Zentrums für Technik (AZT) von 2018 regelmäßig abgelenkt, wenn sie die Navigation bedienen, die Klimaanlage einstellen oder einen Anruf ohne Freisprechanlage annehmen. Befragungen in anderen Ländern zeigen ähnliche Resultate. Die Experten des AZT errechneten, dass etwa jeder zehnte Verkehrstote auf Ablenkung zurückgeht. Der Sprachassistent schafft hier Abhilfe. Nach einer Studie von Capgemini nutzte bereits 2019 jeder zweite Fahrer weltweit die Technologie. Dreiviertel der Befragten setzten ihn bevorzugt zum Abspielen von Musik und beim Navigieren ein. Aber auch Wartungstermine für das Fahrzeug und Lebensmittellieferungen wurden gern per Sprache organisiert. Der Technologiefortschritt beflügelt: Nahezu jeder Autofahrer wollte laut Studie bis Ende 2022 einen Sprachassistenten verwenden. Allerdings gab es, den Autoren zufolge, bei einigen Aspekten Optimierungsbedarf seitens der Insassen. Denn nur rund 30 Prozent der Anwender schätzten ihre bisherigen Erfahrungen dem sprechenden Helferlein als besonders gut ein. 60 Prozent wünschten sich Verbesserungen, zum Beispiel Funktionen für Klimatronik oder Zubuchung von sofort verfügbaren Mobilitätsdiensten und Werkstattterminen per Sprachbefehl.

Sprachassistenten sind aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Sie werden zu einem unverzichtbaren Teil davon, wie Menschen ihr Auto erleben und ihre Mobilität sicher gestalten.
Henrik LjungströmCapgemini Deutschland

Sprachassistenten werden immer intelligenter

Etwas sagen, wie einem der Schnabel gewachsen ist, ging bislang nicht. Die erste und zweite Generation der Assistenten hinkte nämlich an einem Punkt: Der Fahrer musste klare Befehle machen und bestimmten Formulierungen befolgen. Die darauf folgende Generation der Systeme reagiert nicht mehr nur auf starre Ansagen, sondern versteht natürlich gesprochene Sätze usowie Akzente und englische Dialekte. Auf die Mitteilung des Fahrers „Ich bin hungrig“ startet es die Restaurantsuche. Auch zwei Fragen bzw. Aufforderungen in einem Satz sind bei neuesten Sprachassistenten möglich. Rückmeldungen wie „Ich kann Dich nicht verstehen“ oder „Das übersteigt meine Fähigkeiten“ auf eigentlich angemessene Fragen, gehören damit der Vergangenheit an. Und dank künstlicher Intelligenz lernt und denkt der Sprachassistent mit. Mit jeder Interaktion optimiert das System das Nutzerprofil – pro Fahrer wohlgemerkt. Will beispielsweise ein „Chris“ anrufen, sucht der neueste Assistent aus dem Hause Bosch gleichnamige Kontakte durch und berücksichtigt dabei den Ort und Uhrzeit. Am frühen Morgen ist mit „Chris“ wahrscheinlich der Bürokollege gemeint, abends eher der private Freund. Das System wählt eigenständig aus und vergewissert sich anschließend nochmal, ob es richtig liegt. Nachmittags auf dem Rückweg von der Kita erkennt es, wenn ein Kind an Bord ist und schlägt beispielsweise einen Kinder-Radiosender vor. Das Ganze funktioniert auch dann, wenn das Auto offline ist: Bei der Hybridvariante von Continental ist die klassische Onboard-Sprachsteuerung parallel zur Cloud-Variante eingebaut. Bei Bosch übernimmt das Infotainmentsystem die Rechenleistung. Dadurch lassen sich vielfältige Funktionen im Tunnel, in ländlichen Funklöchern oder im Ausland ohne Internetempfang nutzen. Vorbei auch die Zeit, in der eine Spracheingabe nur auf den Namen hört. Der Fahrer kann mit Entwicklung von Bosch seinen Assistenten nennen, wie er will.

Einfach mal mit dem Auto reden. © Robert Bosch GmbH

Das Beste aus zwei Welten

Daimler hat mit der Mercedes-Benz User Experience (MBUX) eine eigene Plattform geschaffen, die Fahrzeuginformationen und Infotainment per „Hey Mercedes“ an Bord steuert. So genügt es, »Hey, Mercedes, wie viel Sprit ist im Tank?« zu sagen, und schon nennt der digitale Sprachbutler die verbleibende Reichweite. „Mir ist warm“ deutet MBUX als Aufforderung, die Heizung runter zu schalten. Der BMWs Intelligent Personal Assistant (IPA) ist zudem mit Sprachassistenten wie Amazon Alexa kompatibel. Das hat zwei Vorteile: Der Kunde ist aus dem Alltag eher Siri, Alexa & Co. gewohnt und diese Sprachassistenten sind mit ihren fast schon unbegrenzten Diensten ziemlich leistungsfähig. Der Nachteil liegt in der Kopplung mit Fahrzeugfunktionen. Hier hat die Automobilindustrie einen klaren Vorteil mit ihren Eigenentwicklungen. Zulieferer Continental bringt das Beste aus beiden Welten zusammen: Die Neuentwicklung lässt sich mit denen anderer Anbieter koordinieren. So kann der Fahrer auch im Auto auf Inhalte, Apps und Dateien etwa aus dem Büro zurückgreifen oder Anwendungen im Smart Home starten. Škoda-Kunden nutzen „Laura“ im Auto, während sie mit Alexa oder Google Home jederzeit Kraftstoff- bzw. Batterieladestand oder die Parkposition außerhalb des Fahrzeugs abrufen können. Fehlt eigentlich nur noch der digitale Small Talk mit dem Auto.

Weitere Artikel