Interview mit Dr. Maria Alonso, Lead, Autonomous Systems, World Economic Forum

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Dr. Maria J. Alonso leitet das Portfolio für autonome Systeme beim Weltwirtschaftsforum. In dieser Rolle verantwortet sie die Arbeit rund um softwaredefinierte Fahrzeuge, Fahrzeugautonomie, Advanced Air Mobility und Robotik. Sie bringt Politik, Industrie und Innovation zusammen und arbeitet weltweit mit Führungskräften auf C-Level- und Vizepräsidentenebene zusammen, um eine verantwortungsvolle Entwicklung und Einführung dieser Technologien zu fördern.

Bevor sie zum Forum kam, war Maria beim niederländischen Infrastrukturministerium und bei der Weltbank tätig. Zudem hatte sie Positionen in einem großen Infrastrukturunternehmen und einer spezialisierten Verkehrsberatung inne. Sie verfügt über weiterführende Abschlüsse in den Bereichen Verkehr, Ingenieurwesen und Wirtschaft.

Interview
mit Dr. Maria AlonsoLead, Autonomous Systems, World Economic Forum

1. Worüber werden Sie bei der IAA MOBILITY sprechen?

Wir haben kürzlich ein Whitepaper zur Zeitachse und Roadmap für autonome Fahrzeuge veröffentlicht. Unsere Analyse prognostiziert, dass bei Pkw in den nächsten zehn und mehr Jahren in Europa, den USA, China und darüber hinaus vor allem assistierte Technologien (insbesondere L2 und L2+) den Neuwagenmarkt dominieren werden – nicht vollautomatisierte Systeme.

Auf der IAA MOBILITY werde ich einige dieser zentralen Erkenntnisse vorstellen. Gemeinsam werden wir diskutieren, welche Maßnahmen nötig sind, um das volle Potenzial von L2-/L2+-Technologien zu entfalten. Kommen Sie am Donnerstag, den 11., auf die Main Stage!

2. Wie wichtig ist die IAA MOBILITY als Plattform zur Förderung innovativer Ideen und Kooperationen?

Die IAA MOBILITY ist die führende Automobilveranstaltung Europas. Ihre Bedeutung wächst weiter, angesichts des laufenden Wandels in der Branche und dem europäischen Anspruch, eine Führungsrolle zu behaupten. Gerade in Zeiten des Umbruchs ist Zusammenarbeit entscheidend – für Tempo, Effizienz und Sicherheit. Die IAA MOBILITY ist eine hervorragende Plattform, um relevante Branchenakteure zusammenzubringen und gemeinsame Fortschritte zu erzielen.

3. Was sind Ihre Ziele für die IAA MOBILITY 2025 und welche Themen stehen für Sie im Fokus?

Ich verfolge drei Hauptziele für die IAA MOBILITY. Erstens möchte ich alte und neue Wegbegleiter aus dem Bereich softwaredefinierte und autonome Fahrzeuge treffen. Zweitens wünsche ich mir tiefgehende Gespräche, vor allem darüber, wie wir eine vertrauenswürdige technologische Grundlage für SDVs und AVs schaffen – das ist derzeit der Fokus unserer Arbeit. Und drittens wollen wir unsere angesehene Executive-Community „DRIVE-A: Vehicle Ecosystems and Autonomy“ erneut zusammenbringen. Das tun wir in Zusammenarbeit mit Accenture. In diesem Jahr haben wir bereits DRIVE-A-Workshops auf der CES in Las Vegas und auf der Auto Shanghai durchgeführt – die IAA MOBILITY ist der logische nächste Schritt in dieser Reihe.

4. Welche Fortschritte im autonomen Fahren erwarten Sie in den nächsten fünf Jahren am Markt?

Wie bereits erwähnt, rechnen wir im Pkw-Bereich weiterhin hauptsächlich mit L2-/L2+-Technologien – auch noch im Jahr 2030 und darüber hinaus. Unsere Analysen zeigen zudem, dass es bis 2030 in 20–40 Städten groß angelegte Robotaxi-Einsätze geben wird, bis 2035 in 40–80 Städten – vor allem in den USA und China. Außerdem erwarten wir in den kommenden fünf bis zehn Jahren deutliche Fortschritte bei autonomen Lkw, insbesondere bei hub-to-hub-Verkehren. Weitere Details finden Sie in unserem Whitepaper, das wir gemeinsam mit der Boston Consulting Group entwickelt haben: „Autonomous Vehicles: Timeline and Roadmap Ahead“.

5. Wie entscheidend ist die enge Verzahnung von Infrastruktur und Fahrzeugtechnologie für den Erfolg autonomer Mobilität?

Weniger entscheidend, als ich noch vor ein paar Jahren gedacht hätte. Viele Branchenvertreter im Bereich autonome Mobilität, mit denen ich gesprochen habe, stimmen darin überein, dass fehlende V2X-Infrastruktur kein zentrales Hindernis darstellt. Erste Einsätze basieren ohnehin nicht darauf – sie können nicht warten, bis V2X flächendeckend vorhanden ist. Vielmehr gilt V2X als „nice-to-have“ zur zusätzlichen Sicherheit und Redundanz, wenn Regierungen darin investieren (so wie sie auch in Ampeln investieren). Diese Einschätzung wird branchenübergreifend geteilt, auch in China.

6. Welche Herausforderungen sehen Sie aktuell bei der Skalierung autonomer Technologien für den Massenmarkt?

Die größten Herausforderungen bestehen darin, das Vertrauen der Öffentlichkeit weiter auszubauen, die Technologie noch sicherer und zuverlässiger zu machen (Vertrauen muss durch nachgewiesene Sicherheit und Verlässlichkeit verdient werden!) und einheitliche, klare Regularien zu schaffen, die eine Skalierung über Regionen hinweg ermöglichen. Die Branche muss zudem weiterhin zusammenarbeiten, um die gesamte Wertschöpfungskette – nicht nur das Fahrzeug – auf den Wandel vorzubereiten. Und wir brauchen tragfähige Geschäftsmodelle, die langfristige Rentabilität sichern.

7. Welche innovativen Ansätze oder Demonstrationen autonomer Fahrzeuge erwarten Sie auf der IAA MOBILITY?

Ich freue mich besonders auf weitere autonome Shuttlelösungen. Wenn autonome Fahrzeuge wirklich zur Entlastung von Städten beitragen sollen, müssen wir die Auslastung pro Fahrzeug erhöhen – leere Fahrten senken diese nur weiter.
Und ich freue mich sehr darauf, mit EDGAR, dem autonomen Forschungsfahrzeug der TU München, eine Runde zu fahren – meiner Alma Mater.

8. Mit welchen Partnern oder Stakeholdern möchten Sie sich bei der IAA MOBILITY vernetzen – und warum?

Ich möchte neue Kontakte mit Branchenführern knüpfen, die den Wandel zur Fahrzeugautonomie gestalten – von etablierten Unternehmen bis zu den jüngsten Disruptoren, von OEMs und Zulieferern bis hin zu Betreibern und Versicherern. Außerdem freue ich mich auf das Wiedersehen mit unserer DRIVE-A-Executive-Community. Und ich hoffe auf weitere Gespräche mit Vertretern von Städten und Behörden, die sich auf autonome Fahrzeuge im öffentlichen Raum vorbereiten.

9. Wie stellen Sie sich die Mobilität der Zukunft vor – und welche konkreten Veränderungen erwarten Sie in den nächsten zehn Jahren?

Zu den Prognosen für ADAS und autonome Fahrzeuge habe ich mich bereits geäußert. Darüber hinaus möchte ich drei verwandte Bereiche hervorheben, die mehr Aufmerksamkeit verdienen:

Erstens: Valet Parking. Ich gehe davon aus, dass automatisiertes Valet Parking weite Verbreitung finden wird. Es ist äußerst komfortabel, wird aber in der aktuellen Diskussion oft übersehen.
Zweitens: Curb Space. Städte mit großen autonomen Flotten könnten ihre Bordsteinflächen umgestalten – z. B. weg von Parkplätzen hin zu Terrassen, Sitzbänken oder Begrünung.
Drittens: Mobility as a Service (MaaS). Autonome Fahrzeuge ermöglichen es Städten zunehmend, die Straßennutzung in überlasteten Bereichen zu besteuern – das fördert multimodale Verkehrsmittelwahl, steigert die Effizienz des Transports und trägt zu gesünderer und nachhaltigerer Mobilität für Städte und ihre Bewohner bei.

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