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Wo bitte geht’s zum Laden?
Für den Erfolg der Elektromobilität ist die Ladeinfrastruktur von entscheidender Bedeutung. Doch der Ausbau des Ladenetzes hinkt vielerorts. Wie es um den Ausbau steht und welche Entwicklungen es für E-Autofahrer gibt – vom digitalen Bezahloptionen zum „Plug-and Charge-System“.
Das dichteste Netz an Ladestationen je Einwohner auf dem europäischen Kontinent ist in Norwegen vorzufinden. Das führt in der Hauptstadt Oslo zu langen Warteschlangen: Dort gibt es mittlerweile zu viele Elektroautos, öffentliche Ladestationen werden knapp. Um den Ansturm zu meisten, wurde Anfang 2019 entschieden, dass das Laden auf kommunalen Parkplätzen nicht mehr kostenlos ist. Ein absolutes Luxusproblem wenn man in den Rest von Europa schaut. Hier fehlt immer noch ausreichend Ladeinfrastruktur auf dem Land und in Ballungsgebieten. Dabei ist ein flächendeckendes Netz an Ladesäulen ein gewichtiges Argument, sich ein E-Auto zuzulegen. Bis 2024 haben die deutschen Hersteller 150 E-Modelle angekündigt. Während die Industrie ein Modell nach dem anderen auf den Markt bringt und sich die Zahl der Elektrofahrzeuge allein in Deutschland diesem Jahr verdoppelt hat, stieg die Zahl der Lademöglichkeiten in der gleichen Zeit um 50 Prozent. Das entspricht etwa 200 neuen Ladepunkten pro Woche. Um mit dem aktuellen Verkaufstempo mitzuhalten, müssten wöchentlich eigentlich 2.000 Ladepunkte hinzukommen.
Elektro-Infrastruktur nimmt Form an
Es geht voran. Im Jahr 2010 gab es in ganz Europa nur ein paar Tausend Ladestationen. Innerhalb von zehn Jahren ist diese Anzahl mit jetzt sechsstellig angewachsen. In Europa sind es laut dem European Alternative Fuels Observatory über 210.000 Ladepunkte – ein Anstieg um fast 50.000 Zugänge gegenüber dem Vorjahr. Die Niederlande verfügt heute über rund 62.000 Ladestationen. Das Kopf-an-Kopf-Rennen um Platz 2 liefern sich derzeit Deutschland mit circa 44.000 und Frankreich mit etwa 45.000 Stationen. In Griechenland hingegen gibt es nur etwa 200 Ladepunkte im gesamten Land. Auf der Ladesäulenkarte der Bundesnetzagentur sind rund 32.000 öffentlich zugängliche Stationen in Deutschland mit Adresse kartographiert.
Das VDA-Ladenetz-Ranking hingegen bildet ab sofort den Ausbau der öffentlich zugänglichen E-Ladeinfrastruktur aller Landkreise und Städte in Deutschland ab. Eine Rangliste bewertet die Attraktivität für den Umstieg auf E-Mobilität vor Ort. Dazu wird die Anzahl öffentlich zugänglicher Ladepunkte im Verhältnis zu den in Stadt oder Region zugelassenen Autos gesetzt. Ein zweites Ranking dokumentiert die Dichte des öffentlich zugänglichen Ladenetzes und macht gleichzeitig transparent, viele E-Pkw sich einen Ladepunkt teilen müssen. Nicht erfasst von den Statistiken werden beispielsweise Ladestationen auf Betriebshöfen, in Wohnanlagen, Tiefgaragen oder anderen privaten Orten. Und auch wenn Zuwächse in der Anzahl der Ladepunkte erkennbar sind: Sollen in Deutschland – wie von der Bundesregierung avisiert – 2030 eine Million Ladepunkte stehen, bräuchten wir gut 2.000 neue Ladepunkte in der Woche. Derzeit sind es etwa 300.
Schnelllader für die Autobahn
Deutsche Hersteller, Importmarken und Zulieferer haben hierzulande selbst 15.000 Ladepunkte an ihren Liegenschaften, Betriebsstätten und Handelsbetrieben errichtet. Die Automobilindustrie forciert zudem den Ausbau entlang der Autobahnen – eine Notwendigkeit, wenn man die Langstreckenmobilität ermöglichen möchte. Mit Ionity hat sich ein Joint Venture den Aufbau eines europaweiten Schnellladenetzes auf die Fahnen geschrieben. Beteiligt sind BMW Group, Ford Motor Company, Hyundai Motor Group, Mercedes Benz sowie Volkswagen mit Audi und Porsche. Ionity setzt auf den globalen Ladestandard, das Combined Charging System (CCS). Dieser ist „der“ Ladestandard in Europa und kompatibel mit nahezu allen gängigen und allen zukünftigen Elektrofahrzeugen. Die Technologie hat es in sich: Ionity baut seine Standorte grundsätzlich mit einer 350kW-Ladetechnik auf, was aktuell die technische Leistungsspitze darstellt. Teslas weltweites Supercharger-Netz verfügt in der Regel über Ladepunkte mit 150kW Ladeleistung und mit zunehmendem Anteil auch über Ladepunkte mit 250kW. Ein einziger CCS-Lader könnte 3.500 Glühbirnen mit 100 Watt zum Leuchten bringen oder 60.000 Smartphone-Akkus gleichzeitig aufladen. Aktuell befinden sich über 300 Ladeparks des Unternehmen in 20 Ländern im Betrieb, weitere 100 sind in Planung oder Bau. Von den für Deutschland vorgesehenen 101 Standorten sind bis zum Jahresende 100 in Betrieb. An allen Chargern wird 100 Prozent erneuerbare Energie für emissionsfreies und CO2-neutrales Fahren gezapft. Insgesamt sind für Europa 400 Ladeparks geplant. Damit soll das bislang leistungsfähigste Netzwerk für E-Autos entlang der Langstreckenkorridore in Europa entstehen.
Wie Plug'n Charge funktioniert
Tarifdschungel nimmt zu, zu viele Ladekarten
Mit Zunahme der Ladestationen wird derweil der Kostenvergleich zwischen den Anbietern immer wichtiger. Doch der Verbraucher muss schauen, wie er den Durchblick behält. Eine Vielzahl an Ladediensten erschwert mit unterschiedlichsten Preis- und Tarifmodellen die Wahl des passenden Dienstes. Alleine in Deutschland werden fast 300 unterschiedliche Tarife angeboten. Laut einer Studie von New Motion nutzt ein Elektrofahrzeugfahrer durchschnittlich etwa zwei bis drei Ladekarten. Für sie ist es jedoch wichtig, nicht zu viele Ladekarten mit sich führen zu müssen. 15 Prozent der europäischen Befragten besitzen fünf Karten oder mehr. Während Elektrofahrzeugfahrer in Deutschland durchschnittlich 3,37 Ladekarten besitzen, benötigen Fahrer in den Niederlanden deutlich weniger unterschiedliche Karten (1,82). In Österreich ist die durchschnittliche Anzahl an Ladekarten pro EV-Fahrer am höchsten (3,81). Abhilfe kommt von Anbietern wie Charge & Fuel, Charge Now, Hubject und Digital Charging Solutions. Sie ermöglichen das Anfahren von Ladesäulen verschiedener Anbieter. Das sogenannte Lade-Roaming ermöglicht dem Nutzer, an Ladestationen von verschiedenen Betreibern aufzuladen, auch im Ausland – ohne mit jedem Anbieter einen entsprechenden vertrag abschließen zu müssen. Gleichzeitig steigt die Bezahlungsvielfalt: per App, RFID-Chip, Kreditkarte, Direktbezahlung oder über einen QR-Code. Und dann gibt es noch das Laden nach dem Plug’n-Play-Prinzip, das Tesla bereits für sein Supercharger-Netz bietet: Ran an die Ladesäule. Stecker rein. Laden. Stecker raus. Abfahrt. Kosten und gelieferte Kilowattstunden werden angezeigt, eine Identifizierung per Karte & Co. ist nicht nötig. Eine Software im Hintergrund übernimmt die Kommunikation zwischen Fahrzeug und Ladesäule. Ein Vertrag, eine Form der Bezahlung – der Idealzustand ist nur noch eine Frage der Zeit.
(Aufmacherfoto: © Ionity)