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„Laden muss einfach, bequem und preislich attraktiv sein“
Der Erfolg der Elektromobilität hängt auch davon ab, ob genügend Lademöglichkeiten vorhanden sind. Noch hinkt der Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur dem Interesse an E-Fahrzeugen aber hinterher. Die Frage lautet also: Wie kommen mehr Stromtankstellen auf die Straße?
Gerade mal ein öffentlicher Ladepunkt kommt derzeit auf rund 21 E-Autos – das ist die Erkenntnis des Elektro-Ladenetz-Rankings des VDA. Bremst die nicht vorhandene Ladeinfrastruktur die E-Mobilität?
Sagen wir es mal so: Wir stehen am Anfang einer Revolution auf der Straße. Und die Zulassungszahlen von E-Fahrzeugen steigen deutlich. Bis 2030 erwarten wir für Europa einen Anteil von über siebzig Prozent batteriebetriebenen Fahrzeugen und Plug-In-Hybriden an den Neuzulassungen. Das sind 65 Millionen E-Fahrzeuge, für deren Betrieb 180 Terawattstunden Energie nötig sind. Dafür bräuchte es dann zweieinhalb bis drei Millionen öffentliche Ladesäulen in Europa, davon etwa 700.000 Ladesäulen in Deutschland. Das entspricht einer Verzehnfachung der aktuellen Anzahl. Die Herausforderung ist also groß.
Vor dieser Herausforderung stehen nicht nur die Europäer. Wie steht Europa im internationalen Vergleich da?
Gar nicht schlecht. China ist weit vorne, die Regierung dort treibt das Thema. Aber auch Europa ist eine Vorreiterregion mit 400.000 öffentlichen Ladepunkten. Innerhalb Europas gibt es ein Nord-Süd-Gefälle, Vorreiter sind Norwegen und die Niederlande. Diese Länder glänzen mit hohen Zulassungszahlen elektrischer Fahrzeuge und mussten schon früh für Ladeinfrastruktur sorgen.
Was kann man von diesen Ländern lernen?
Einen bedarfsorientierten Aufbau von Ladeinfrastruktur. Wenn sie rentabel sein soll, muss sie dort aufgebaut werden, wo die Nachfrage besteht. Meist engagiert sich der Staat in diesen Ländern stark und hat attraktive Anreize gesetzt, um den Ladeinfrastrukturausbau und den Verkauf von E-Fahrzeugen anzukurbeln. Sind viele E-Fahrzeuge zugelassen, ist es attraktiv, die Ladeinfrastruktur aufzubauen. Und das wiederum kurbelt den Verkauf von E-Fahrzeugen an, weil die Kunden problemlos laden können.
Und wie wollen die Menschen am liebsten laden?
Laden muss einfach, bequem und preislich attraktiv sein. Die Kundinnen und Kunden möchten vor allem dann laden, wenn das Auto ohnehin steht. Aktuell werden noch zirka 80 Prozent des Energiebedarfs zu Hause oder bei der Arbeit geladen. 2030 werden nur noch 50 bis 60 Prozent des Ladebedarfs im privaten Bereich gedeckt werden können. Das Laden wird sich stärker in den öffentlichen Bereich verschieben.
Wo werden wir dann laden?
Neben der klassischen Ladestation nahe der Autobahn, an der man schnell und mit hohen Leistungen bis zu 350 Kilowatt laden will, werden das vor allem die Orte sein, an denen man sein Auto ohnehin abstellt, etwa beim Restaurant- oder Supermarkt-Besuch. Dort werden Ladegeschwindigkeiten zwischen 22 kW bis 100 kW sinnvoll sein. Die Landschaft an Ladeinfrastruktur muss einfach und mit transparenten Preisen zur Verfügung stehen, mit nahtloser Bezahlung und Technologien wie Plug-&-Charge, bei der das Auto die Ladesäule quasi selbstständig erkennt.
Das klingt wunderbar, ist aber noch lange nicht Realität…
Es dauert, bis diese Infrastruktur aufgebaut ist. Der Ausbau muss aber zügig erfolgen, weil in den nächsten vier bis fünf Jahren ein kritischer Engpass absehbar ist.
Wer muss den Ausbau dann jetzt vorantreiben?
Wir alle sind Teil dieser Transformation: die Autohersteller, die öffentliche Hand, die Energieunternehmen und auch wir, die Endkunden. Die Hersteller haben den direkten Kundenzugang und damit Einfluss auf die Ladeerfahrung an sich, etwa über Apps im Auto. Sie sind gerade auch bei Engpässen gefragt, selbst in die Ladeinfrastruktur zu investieren. Energieunternehmen sind entscheidend für den Netzausbau und die Verbreitung von Technologien wie Smart Charging. Dabei werden nicht alle Autos abends gleichzeitig geladen, sondern Bedarf und Angebot klug ausbalanciert.
Welche Rolle spielen Kunden und Staat?
Weil Laden auf absehbare Zeit länger dauern wird als Tanken, müssen wir alle unser Mobilitätsverhalten überdenken. Das kann dann beispielsweise bedeuten, in Zukunft nicht mehr gleichzeitig mit allen anderen in den Urlaub zu starten, um lange Wartezeiten an den Ladestationen zu vermeiden. Die öffentliche Hand hat ebenfalls eine tragende Rolle und schon einiges angestoßen. Dennoch steht sie vor einer komplexen Aufgabe und es werden noch weitere Investitionen nötig sein.
Welche Herausforderungen sehen Sie hier?
Anreize müssen so gesetzt werden, dass sie möglichst effektiv sind. Es gilt, die richtige Art an Ladepunkten für den jeweiligen Bedarf zu fördern, ohne dass sich Monopole bilden. Dafür braucht es ein dynamisches Anreizsystem, das man kontinuierlich überwacht. Erreicht man den Ausbau der Ladeinfrastruktur dort, wo er benötigt wird, mit den Ladeleistungen, die Kunden brauchen, damit sie angenehm laden können? Ist das Genehmigungsverfahren abschreckend komplex oder einfach? In den Niederlanden gibt es zum Beispiel eine gezielte kostenlose Bereitstellung von Land, auf dem Ladeinfrastruktur aufgebaut werden kann.
Abschließend noch ein Blick in die Zukunft: Welche Innovationen erwarten uns?
Viele Unternehmen arbeiten an einer Ladeinfrastruktur, die 500 Kilowatt Leistung und mehr bereitstellen kann. Auch bei Wireless Charging, wie wir es vom Handy kennen, wurden schon Fortschritte erzielt. Das bleibt aber auf absehbare Zeit noch im Prototypen-Stadium. Bei Business-Innovationen gibt es spannende Ansätze, die das Kundenerlebnis beim öffentlichen Laden an Raststätten auf ein neues Level heben. Die Vision ist, dass Kundinnen und Kunden nicht des Ladens wegen, sondern aufgrund der zahlreichen attraktiven Nebenaktivitäten kommen. Da wird noch viel passieren. Ich freue mich darauf, denn ich glaube, vieles wird besser.