E-vehicle

Die Ära der Konnektivität: So gelingt die neue Mobilität

Digitale Services und Daten sind für die Mobilitätsbranche heutzutage oft Lösung und Herausforderung zugleich. Der entscheidende Erfolgsfaktor bei ihrem Einsatz ist die Vernetzung aller digitaler Services und Datenpunkten. Theo-Han Jansen, Vice President Strategy & Product Management bei WirelessCar, gibt Einblicke, wie diese neue Ära der Konnektivität aussieht.

Herr Jansen, was sind aktuell die wichtigsten Entwicklungen, die die Mobilitätsbranche langfristig prägen werden? 
Die Mobilitätsbranche befindet sich derzeit in einem rasanten Wandel, der auf mehrere Faktoren zurückzuführen ist. Zum einen nimmt die Nutzung von Elektromobilität durch gesetzliche Vorschriften, aber auch durch Anreize weltweit zu. Dazu gehören beispielsweise die Umsetzung neuer Vorschriften zur Emissionsreduzierung in China und Europa, aber auch staatlich finanzierte Anreize in den USA und Europa, die die Attraktivität auf Seiten der Verbraucher:innen erhöhen. Bis 2030 könnte laut McKinsey & Deloitte der Anteil von Elektrofahrzeugen an den weltweiten Neuwagenverkäufen dadurch von heute 6 Prozent auf über 30 Prozent steigen. Gleichzeitig wird die Entwicklung fortgeschrittener Fahrerassistenzsysteme in naher Zukunft eine teilautonome Mobilität ermöglichen. Zudem nimmt die Nutzung von Shared Mobility, getrieben durch die Gen Z, zu. Die Prozentzahl der mit Shared-Cars gefahrenen Kilometer dürfte sich von derzeit 8 Prozent auf etwa 20 Prozent verdoppeln. Darüber hinaus sorgt der zunehmend digitale und vernetzte Lebensstil der Verbraucher:innen für eine höhere Nachfrage nach einem nahtlosen Erlebnis, auch wenn es um Mikromobilität oder den Transport auf der letzten Meile geht. Die Automobilbranche kann diesem Umbruch in der Mobilität nur mit allgegenwärtiger Konnektivität als gemeinsame Grundlage begegnen.  

Was bedeutet diese zunehmende Bedeutung von Connectivity für Fahrzeughersteller?
Connectivity ist das Herzstück der modernen Mobilität, denn Autos sind heute fast wie große Smartphones auf Rädern. Diese Software Defined Vehicles stellen einen Wendepunkt für Fahrzeughersteller dar, die traditionell keine Software-Unternehmen sind. Um die erforderlichen Kompetenzen zu erwerben und die mit Software Defined Vehicles verbundene Komplexität zu bewältigen, gehen sie Partnerschaften ein. Sie investieren in die Entwicklung eines nahtlosen, vernetzten digitalen Erlebnisses, welches sich Verbraucher:innen wünschen, und stellen sich gleichzeitig den großen Herausforderungen des Datenmanagements und der Cybersicherheit. Denn die stetig wachsende Datenmenge, sowohl an Bord als auch außerhalb des Fahrzeugs, erhöht die Anforderungen an die Verwaltung und Sicherheit.  

Worauf müssen Automobilhersteller achten, wenn sie sich in Hinblick auf Connectivity besser aufstellen wollen?
Eine der Herausforderungen für die Automobilhersteller besteht darin, die richtige Balance zu finden zwischen den anfallenden Kosten, die durch die notwendigen Fähigkeiten zur Unterstützung der Mobilitätsentwicklung entstehen, und den möglichen Einnahmen, die mit digital vernetzten Erlebnissen oder Funktionen als Dienstleistung möglich sind. Es ist auch wichtig, die Zahlungsbereitschaft der Verbraucher:innen zu verstehen, die von Markt zu Markt und von Segment zu Segment unterschiedlich ist. Damit verbunden ist die Fähigkeit des Fahrzeugherstellers zu erkennen, welche Teile dieses komplexen Puzzles strategisch sind, sich von anderen abheben oder als geistiges Eigentum betrachtet werden, um zu entscheiden, wo er selbst investieren oder mit kompetenten Partnern zusammenarbeiten sollte. In diesem komplexen Konstrukt ist Konnektivität der Wegbereiter, der dafür sorgt, dass die neue Mobilität möglich ist – sie ist kein Mittel zum Selbstzweck.  

Blicken wir noch auf die Verbraucher:innen – wie wird sich das Fahrerlebnis durch diese Entwicklungen verändern?
Wie bereits erwähnt, verändert sich die Art und Weise, wie wir Mobilität erleben, und eine der Folgen ist, dass sich das Erlebnis im und um das Fahrzeug herum verändert. In Verbindung mit dem zunehmend digital vernetzten Lebensstil der Verbraucher:innen zwingt dies die Fahrzeughersteller und uns alle in der Branche dazu, umzudenken und sicherzustellen, dass wir die Erwartungen der Verbraucher:innen verstehen. Die Fahrzeuge müssen Teil des digital vernetzten Ökosystems werden, an das sich die Verbraucher:innen mehr und mehr gewöhnen. Die Interaktion mit dem Fahrzeug kann beispielsweise über ein Smartphone oder einen virtuellen intelligenten Assistenten erfolgen, auch wenn wir uns nicht im Fahrzeug befinden. Für ein reibungsloses Ladeerlebnis sorgen beispielsweise Off-Board-Datenanalysen, die die Navigation zu verfügbaren Ladestationen erleichtern oder der Einsatz von generativer künstlicher Intelligenz, um den Fahrzeuginsassen ein personalisiertes Unterhaltungserlebnis zu bieten, während das Fahrzeug selbst fährt. Aber auch die Analyse des Batteriestatus und die Aktualisierung der Navigation in Echtzeit sowie die Reservierung der Ladestation tragend maßgeblich dazu bei. Das ist das "Fahren" der Zukunft – und die Zukunft der Automobilbranche.  

Über Theo-Han Jansen
Theo-Han Jansen ist Vice President Strategy & Product Management bei WirelessCar. Er arbeitet seit 30 Jahren in verschiedenen Positionen in der Automobilbranche, unter anderem bei FCA (jetzt Stellantis), Maserati und Ferrari. Sein Themenschwerpunkt der letzten Jahre sind die Konzeption, Planung und Umsetzung von Connected Services und nachhaltiger vernetzter Mobilität.  

Theo-Han Jansen

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