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Cities of the Future – Die Mobilitätskonzepte von morgen
Die perfekte Stadt? Ist auf alle Fälle eine, in der sich die Menschen so bewegen können, wie sie es gern wollen, egal ob sie zu Fuß, auf zwei oder vier Rädern oder mit öffentlichen Transportangeboten unterwegs sind. Wir haben uns angeschaut, wie die Stadt der Zukunft aussehen könnte.
Unsere Städte müssen freundlicher werden! Verkehrsfreundlicher, Umweltfreundlicher, Menschenfreundlicher. Denn angesichts von Klimawandel und immer mehr Verkehr wird immer mehr Menschen klar, dass sich etwas ändern muss in der Art, wie wir uns in unseren Städten bewegen. Aber was eigentlich? Wir haben uns interessante Verkehrskonzepte angeschaut, die bereits zeigen, wie zeitgemäße Mobilität geht. Und wir haben mit Stadtplanern und Verkehrsexperten gesprochen, um herauszufinden: Was sind die Mobilitätskonzepte von morgen, und wie setzen wir sie um?
Klar ist: Das Auto, über Jahrzehnte ein prägender Bestandteil der Stadtentwicklung, ist eigentlich nicht das beste Fortbewegungsmittel in den Städten und bekommt daher immer mehr Konkurrenz. Zu diesem Schluss kommt zum Beispiel die Studie „Die Evolution der Mobilität“, die das Zukunftsinstitut im Auftrag des ADAC erarbeitet hat. „Der Metropolenverkehr wird bis 2040 mit immer weniger Autos auskommen. Kurzstrecken unter 50 Kilometern werden immer öfter in Kombination von Radschnellwegen und öffentlichem Nahverkehr absolviert,“ heißt es dort. Der Schlüssel zur neuen Mobilität in Ballungsräumen lautet Multimodalität, also die vernetzte Nutzung mehrerer Verkehrsmittel, und smarte Mobilität. Was das ist, lässt sich heute bereits in Metropolen in Asien, aber auch in Städten wie San Francisco oder bei unseren Nachbarn in Dänemark und den Niederlanden ablesen.
San Francisco vernetzt den Verkehr
Die kalifornische Metropole gilt als Innovator, wenn es darum geht, die Mobilität smart zu revolutionieren. Die städtische Verkehrsbehörde „San Francisco Municipal Transportation Authority (SFMTA)“ hat dazu im Jahr 2015 in einer umfangreichen Untersuchung neue, smarte Mobilitäts-Möglichkeiten identifiziert, darunter E-Scooter/Scooter-Sharing, Bike-Sharing, Car-Sharing, Mitfahr-Angebote. Was bei dieser Auflistung klar wird: Die Zukunft der Mobilität setzt auf Sharing und Vernetzung. Voraussetzung: Die Nutzung der unterschiedlichen Angebote muss einfach und ohne Zugangshürden funktionieren. San Francisco hat darum eine App aufgesetzt, mit der die Menschen nahtlos alle verschiedenen Angebote nutzen können, um im Stadtgebiet von A nach B zu kommen: Sharing-Angebote, ÖPNV, Taxis und ähnliche Dienste. Um solche Dienste nicht nur aus einer Hand (also: in einer App) zugänglich, sondern noch attraktiver zu machen, hat die Stadt Verkehrsteilnehmenden dieser Dienste eigene Spuren zugeteilt, auf denen der platzraubende Individualverkehr (sprich: mit einer Person besetzte Autos) nicht mehr zugelassen ist. Wer Sharing-Modelle oder den ÖPNV nutzt, kommt also schneller voran.
In den Städten Autos etwas Platz wegzunehmen und diesen anderen Verkehrsteilnehmern zu geben, ist ein mutiger, aber aus mehreren Gründen wichtiger Schritt. Das zeigt sich weltweit in Metropolen, die ihre Mobilität neu regeln. So ist zum Beispiel der ökologische Fußabdruck des Fahrrads gegenüber dem Auto unschlagbar, selbst E-Bikes verursachen rund 5 g CO2 pro gefahrenem Personenkilometer gegen durchschnittlich 165 g beim Auto. Ragnhild Sørensen von Changing Cities meint dazu: „Es ist nicht zielführend, Wege unter zehn Kilometer mit dem Auto zurückzulegen, wie es für 70 Prozent aller Autofahrten derzeit der Fall ist. Würden all diese Fahrten mit dem Rad zurückgelegt, würden wir rund zwei Drittel aller CO2-Emissionen des Autoverkehrs einsparen.“ Und nebenbei auch noch Feinstaub, weitere Schadstoffe und viel Lärm und Platz. „Heute kommen in Berlin etwa 340 Autos auf 1000 Einwohner. Diese Zahl müsste sich bis zum Jahr 2030 laut Bundesumweltamt mehr als halbieren“, sagt Sørensen. Und: „Auf die Fläche, die ein Auto zustellt, egal ob parkend oder rollend, passen zehn Fahrräder“ nennt der Münsteraner Stadtplaner Michael Milde ein weiteres Argument, warum immer mehr Autos zu einem Problem für die Städte werden.
Fahrräder erobern die Städte
In zahlreichen Städten, unter anderem in Oslo und Kopenhagen, sind daher motorisierte Fahrzeuge aus den Innenstädten weitgehend verbannt worden. Auch Paris will das historische Zentrum für Autos sperren und in eine riesige Fußgängerzone umwandeln. In all diesen Städten erfreut sich das Fahrrad steigernder Beliebtheit. Der Schlüssel zum Erfolg ist in allen Fahrrad-Städten gleich: Ein flächendeckend ausgebautes Netz an Radwegen, die klar von der Straße, aber auch von Gehwegen abgetrennt sind. Das schafft Sicherheit und verhindert Konflikte der unterschiedlichen Verkehrsmittel und -teilnehmer. Es geht um für Radfahrer abgestimmte Ampelschaltungen, um genügend Radparkplätze, um gute Straßenbeläge. Es geht um vernetzte Konzepte mit dem öffentlichen Nahverkehr: In der Region Kopenhagen bietet jeder Regionalzug Platz für Fahrräder, am Bahnsteig wird vor Ankunft des Zuges angezeigt, in welchem Waggon noch Platz für die Drahtesel ist.
Ähnlich wie beim Beispiel San Francisco gilt auch für den Bike-Boom: Erfolg haben die Städte, die dem Auto etwas Platz (also Spuren) wegnehmen und den anderen Verkehrsteilnehmern zugestehen, hier dem Fahrrad. „Der Platz in unseren Städten ist begrenzt. ``Alle Eingriffe zugunsten des Umweltverbunds, also Radverkehr, öffentlicher Nahverkehr und Fußgänger, können nur zulasten des Autos gehen“, sagt Michael Milde, der berichten kann, wie Münster im Laufe der Jahre zu einer erfolgreichen Fahrrad-Stadt geworden ist.
Dabei geht es ohnehin nur darum, einen schon mal dagewesenen Zustand wieder zu erreichen: In der Nachkriegszeit war das Fahrrad auch in deutschen Städten das Hauptverkehrsmittel. Fast zwei Drittel der Menschen fuhren damals mit dem Rad zur Arbeit, zur Schule oder zur Universität, der Rest nahm den Bus oder die Straßenbahn. Und heute? „Nur 13 Prozent aller Wege werden in Deutschland mit dem Rad zurückgelegt, in den Niederlanden sind es 28 Prozent, in Amsterdam sogar 36 Prozent“, zitiert Stadtplaner Milde die passende Statistik. Immerhin: Corona und das steigende Angebot an Sharing-Modellen für Bikes und Scooter haben den Bike-Boom auch hierzulande befeuert, die vielen Menschen, die aufs Fahrrad umgestiegen sind, zwingen die Kommunen zum Umdenken.
Singapur zeigt, wie ÖPNV funktioniert
Eine andere tragende Rolle spielt der öffentliche Personennahverkehr, um die Straßen zu entlasten. Inzwischen stoßen U-Bahnen und Busse in den Metropolen der Welt jedoch an ihre Grenzen. Als weltweit die Vorzeige-Stadt für perfekten ÖPNV gilt Singapur. Das Konzept ist dabei verblüffend einfach: Die Menschen nutzen den ÖPNV, wenn er gut und günstig ist. Singapur achtet daher auf niedrige Preise (eine Fahrt kostet maximal 1,30 Euro, Kinder fahren kostenlos), eine smarte Vernetzung der Ankunfts- und Anschlusszeiten, außerdem ist Sauberkeit ein Faktor, warum die U-Bahnen in Singapur so beliebt sind.
Apropos Vernetzung: Singapur liegt auch beim Vergleich der Smart Cities weltweit ganz vorn. Die Stadt macht aktuelle Verkehrsdaten öffentlich und kann so Staus und verstopfte Straßen nachweislich reduzieren. Möglichst viele Verkehrsmittel miteinander zu vernetzen, ist ein Schlüssel zu einer erfolgreichen Mobilitätsplanung der Zukunft. Autos, Busse, LKW und Zweiräder, die im Internet of Things miteinander kommunizieren, können Unfälle und Staus vermeiden und finden einfacher freie Parkplätze.
Teilen statt besitzen
Womit ein weiterer wichtiger Baustein genannt wäre, wie Städte zukünftig weniger unter der Menge an Fahrzeugen leiden: Bis zu 40 Prozent des Verkehrs in Innenstädte entfällt auf die Parkplatzsuche. Carsharing ist eine wichtige Antwort, um dieses Problem zu lösen. Denn wenn sich mehrere Menschen ein Fahrzeug teilen, sind insgesamt weniger davon auf gleichem Platz nötig. Studien belegen, dass ein geteiltes Auto acht bis 20 Fahrzeuge ersetzen kann. Die Sharing Economy ist dabei vor allem eine Frage des Alters: Weltweit zeigt sich, dass jüngeren Menschen der Besitz nicht mehr so wichtig ist. Sie nutzen gerne aktiv Sharing-Angebote - wenn diese einfach funktionieren und auf die individuellen Bedürfnisse angepasst sind. Wo wir wieder bei Beispielen wie San Francisco wären, wo solche Sharing Angebote für Fahrräder, Scooter, Autos und Mitfahr-Gelegenheiten und Dienste wie Uber in einer App zusammengefasst sind.
Elektromobilität verbessert die Luftqualität
Natürlich geht es nicht darum, den PKW-Verkehr zum Sündenbock zu erklären. Neu Fahrzeuge sind nicht nur miteinander vernetzt, sondern werden vermehrt auch mit Elektromotoren statt Verbrennern angetrieben. Doch auch das erfordert einen immensen Aufwand für die Kommunen: Sie müssen eine komfortable Lade-Infrastruktur anbieten. So stehen zum Beispiel in China für rund 2,6 Millionen E-Fahrzeuge rund 330.000 öffentliche Ladepunkte zur Verfügung. Die Folge: Ungefähr 60 Prozent aller weltweit neu zugelassenen E-Fahrzeuge sind in China unterwegs. In Europa sind neben Norwegen die Niederlande ein gutes Beispiel, wie E-Mobilität erfolgreich gefördert werden kann. Wer in Amsterdam keinen Stellplatz mit Lademöglichkeit für sein E-Fahrzeug besitzt, für den stellt die Stadt kostenlos eine öffentliche Ladesäule in der Umgebung auf. So wuchs die Zahl der Ladesäulen mit rund 4.000 Lademöglichkeiten auf das dichteste Netz in ganz Europa an.
Gute Beispiele für eine zeitgemäße, menschenfreundlichere Mobilität gibt es also viele. Die Frage ist, wie wir sie in unseren Städten umsetzen. „Es braucht einen klaren Plan und ein klares Ziel, das eine Stadt konsequent verfolgt. Und es braucht erlebbare Beispiele, welche Vorteile dieser Wandel bringt“, sagt der Stadtplaner Michael Milde dazu. Malte Hübner von Critical Mass Hamburg sieht die möglichen ersten Schritte ganz pragmatisch: „Einfache Lösungen wie zum Beispiel Tempo 30 innerstädtisch, Durchfahrverbote oder ein stärkerer Fokus auf ÖPNV sind prinzipiell schnell durchführbar.“ Was können wir tun, um den Wandel in unseren Städten zu beschleunigen? „Die Zivilgesellschaft ist der einzige ernst zu nehmende Motor hinter der Verkehrswende, die Politik scheint die Signale nicht zu hören beziehungsweise hören zu wollen“, ist Ragnhild Sørensen überzeugt und fordert zur Eigeninitiative auf.