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Cargobike-Sharing: Transportalternative für den urbanen Raum

Leih-Lastenräder könnten das Gesicht des Stadtverkehrs nachhaltig verändern. Der CCO von Leihanbieter Cargoroo erklärt, wie genau das funktionieren soll.

Leih-Lastenräder könnten das Gesicht des Stadtverkehrs nachhaltig verändern. Der CCO von Leihanbieter Cargoroo erklärt, wie genau das funktionieren soll.

Lastenrad-Mietstationen statt Kfz-Parkplätze – was sich im ersten Moment nach einer plakativen Headline anhört, wurde im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg in diesem Frühjahr Realität. Im März wandelten die Verantwortlichen in der Stadtverwaltung insgesamt fünf Auto-Stellplätze in Abstellflächen für Lastenräder um. Dort können in Zukunft die E-Lastenräder des niederländischen Anbieters Cargoroo per App gemietet und wieder abgestellt werden – ähnlich wie klassische Leihräder oder E-Scooter.

Die Kollaboration des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg und Cargoroo ist aber bei Weitem nicht die erste Lastenradinitiative in Deutschland: In über 170 deutschen Kommunen gibt es inzwischen sogenannte Cargobike-Sharing-Angebote – Tendenz stark steigend. Es ist eine Entwicklung, die nicht von ungefähr kommt: Laut der durch das Bundesverkehrsministerium durchgeführten Studie „Fahrradmonitor“ können sich 28 Prozent der deutschen Bevölkerung vorstellen, ein Leihsystem für Lastenräder zu nutzen. Unter den aktiv Radfahrenden sind es sogar 32 Prozent.

Doch wie funktioniert Cargobike-Sharing eigentlich? Worin liegen seine Vorteile? Und welchen Beitrag können Leihlastenräder zum Mobilitätswandel leisten? Das fragen wir Erik de Winter, Mitbegründer und CCO von Cargoroo.

Erik de Winter, Mitbegründer und CCO von Cargoroo

Herr de Winter, mit Ihrem Unternehmen Cargoroo bieten Sie seit kurzem auch Cargobike-Sharing in Berlin an. Wie ist der Start verlaufen?

Erik de Winter: Sehr gut. Berlin ist ja unsere erste Station in Deutschland und es handelt sich auch erst einmal um ein Pilotprogramm mit nur zehn Lastenrädern. Allerdings deutet es sich schon an, dass wir wahrscheinlich noch in diesem Jahr expandieren und mehr Lastenräder in Berlin anbieten werden.

Cargoroo ist ein Cargobike-Sharing-Dienst. Worin bestehen die Vorteile – beispielsweise im Vergleich zu einem Mietwagen-Verleih oder den klassischen Bikesharing-Angeboten, wie es sie schon vielfach gibt?

Erik de Winter: Im Vergleich zum Mietwagen verbraucht ein Cargobike wesentlich weniger Platz. Außerdem entfällt die Parkplatzsuche, was in der Innenstadt einiges erleichtert. Lastenräder sind zudem ökologischer. Im Vergleich zum klassischen Leihrad kann ich mit dem Lastenrad sehr viel transportieren, sodass das Bike für viele Menschen zum Auto-Ersatz werden kann.

Wie sind Sie eigentlich auf die Idee gekommen, Cargoroo zu gründen?

Erik de Winter: Mein Kollege Jelle Maijer, der Cargoroo mitbegründet hat, hatte ursprünglich ein Restaurant-Business. Für dieses schaffte er sich ein Lastenrad an – und bekam nach kurzer Zeit Anfragen von anderen Geschäften, ob sie dieses ausleihen dürften. Das benachbarte Wein-Geschäft, um Wein auszuliefern, der Kaffeelieferant usw. So entstand die Idee – und von da an wurde alles zum Selbstläufer.

Das war im Jahr 2018. Wie groß ist Cargoroo heute?

Erik de Winter: 2019 haben wir den EU-Startup-Preis für Mobilität gewonnen. Heute haben wir inzwischen über 500 E-Lastenräder in vier Ländern im Verleih. Dazu gehören die Niederlande, Belgien, Großbritannien und nun auch Deutschland.

Und wie funktioniert das Leihprozedere?

Erik de Winter: Wir arbeiten mit einer App. Mit dieser kann man dann ein Lastenfahrrad auswählen und reservieren. Im Anschluss kann man das Schloss des Cargobikes auf der App öffnen und wieder verschließen. Und nach der Fahrt stellt man das Rad einfach wieder dort ab, wo man es abgeholt hat.

Cargobike-Sharing ist ein Angebot, das es in immer mehr Städten gibt. Gibt es denn schon Daten zu den Auswirkungen?

Erik de Winter: Die gibt es. Wir haben eine große Studie gemacht, die sich mit den (positiven) Folgen beschäftigt hat. Ein Ergebnis ist beispielsweise, dass eine Distanz von einer Million zurückgelegter Kilometer den Städten eine halbe Million Euro sparen kann – angefangen bei der Infrastruktur bis hin zum Wohlbefinden der Bevölkerung. Ebenfalls spannend: 72 Prozent der Fahrten, die unsere Nutzer machen, ersetzen Autofahrten. Und insgesamt 50 Prozent der innerstädtischen Autofahrten überhaupt könnten durch Fahrten mit Lastenfahrrädern ersetzt werden.

Das sind starke Zahlen. Welches Potenzial sehen Sie persönlich im Cargobike-Sharing, wenn es um das Thema Urban Mobility im Gesamten geht?

Erik de Winter: Ich denke, dass wir erst ganz am Anfang der gesamten Mobilitätswende stehen. Allein in Deutschland wurden im Jahr 2021 167.000 Lastenräder verkauft – das sind mehr als 60 Prozent mehr als im Vorjahr. Das zeigt bereits, wie stark das Thema im Kommen ist. Sharing ist dann die Alternative für alle, die sich kein eigenes Lastenrad – oder eben Auto – für die Innenstadt leisten wollen.

Im Vergleich zum Mietwagen verbraucht ein Cargobike wesentlich weniger Platz. Außerdem entfällt die Parkplatzsuche, was in der Innenstadt einiges erleichtert. Lastenräder sind zudem ökologischer.
Erik de WinterMitbegründer und CCO von Cargoroo

Bei so hohen Zahlen stellt sich natürlich die Frage nach der Zielgruppe. Wer sind ihre Hauptkunden?

Erik de Winter: Tatsächlich gibt es ganz verschiedene Use-Cases. Studenten, Geschäftsinhaber, Familien mit jungen Kindern – aus diesem Grund glaube ich auch so stark an diese Idee.

Ist Cargobike-Sharing eine Konkurrenz zum Auto?

Erik de Winter: Ich denke, dass es sehr viel Platz für andere Mobilitätslösungen neben dem Auto gibt – und auch geben muss. Die Autoindustrie steht in diesen Tagen unter großem Druck, sich zu verändern. Wir sehen diese aber nicht als Konkurrenz. Viel mehr fänden wir es sehr spannend, mit Automotive-Firmen zu kooperieren, um sie bei ihrer Transformation zu unterstützen.

Das hört sich an sich alles vielversprechend an. Dennoch ist Cargobike-Sharing ein noch sehr junger Trend. Worin liegen die derzeit größten Hürden?

Erik de Winter: Ich denke, hier muss man zwei Dinge nennen: Zum einen die Bekanntheit, also dass die Menschen wissen, dass es uns überhaupt gibt. Und zum anderen die rechtlichen Rahmenbedingungen. Wir müssen die Stadtverwaltungen, die Regierungen und die weiteren Stakeholder einfach noch mehr überzeugen, dass Cargobike-Sharing eine weitere Mobilitätslösung ist, die den öffentlichen Transport erweitern kann.

Herr de Winter, vielen Dank für das informative Gespräch.

Zahlen zum Thema Cargobike-Sharing

  • 28 Prozent aller Befragten bzw. 32 Prozent aller Radfahrenden in der Studie Fahrradmonitor Deutschland können sich vorstellen, ein Leihsystem für Lastenräder zu nutzen.
  • 21 Prozent aller Befragten des Fahrradmonitors Deutschland haben schon einmal Bikesharing über ein öffentliches Verleihsystem genutzt.
  • Laut dem niederländischen Anbieter Cargoroo könnten 50 Prozent der innerstädtischen Autofahrten durch Fahrten mit Lastenfahrrädern ersetzt werden.
  • Eine Fahrt mit dem Lastenrad spart durchschnittlich 1,848 kg CO2 ein.
  • 72 Prozent der Nutzer des Cargobike-Sharing-Anbieters Cargoroo ersetzen eine Autofahrt durch das Lastenfahrrad.

Cargobike-Sharing: Vier aktuelle Lösungen im Vergleich

Avocargo ist in mehreren Stadtteilen Berlins aktiv, so kann man die blauen Bikes mit dem angedeuteten Avocado-Logo in Prenzlauer Berg, Mitte, Friedrichshain und Kreuzberg mieten. Dabei kann man das jeweilige Bike auch außerhalb dieser Bezirke fahren, zum Beenden der Fahrt muss man sich – ähnlich wie bei einem E-Scooter – aber wieder im Sharing-Gebiet befinden. Der Preis liegt bei Avocargo bei 1,90 EUR pro 15 Minuten. Einmalig wird für jeden Leihvorgang eine Startgebühr von 1 EUR berechnet.

Weitere Informationen gibt es unter www.avocargo.one

Cargoroo ist ein Cargobike-Sharing-Anbieter aus den Niederlanden, der inzwischen auch in Deutschland aktiv ist. Das System setzen auf eine App sowie auf fixe Anmietstationen, in denen die Lastenräder auch nach dem Leihen auch wieder abgestellt werden sollen – so soll ein zielloses Herumstehen der Cargobikes vermieden werden. Der Preis liegt derzeit bei sieben Cent pro Minute, in der Stunde liegt man damit bei 4,20 EUR.

Weitere Informationen gibt es unter www.cargoroo.nl

Klara ist ein Projekt des ADFC Hamburg, hinter dem die ein fahrradbegeistertes Team steht. Im Gegensatz zu den anderen vorgestellten Anbietern ist Klara kein klassischer Sharing-Dienst, sondern ein Angebot, das es Nutzern ermöglichen soll, Cargobike-Sharing auszuprobieren. Die Nutzung ist nämlich komplett kostenlos. Die Buchung erfolgt dabei ganz einfach über die Klara-Website. Dort findet man auch die derzeitigen Standorte der verfügbaren Lastenräder.

Weitere Informationen gibt es unter www.klara.bike

Unter dem Hashtag #Lastenräderfüralle bietet Sigo.Green Lastenrad-Sharing an. Inzwischen sind die grünen Lastenräder in 20 Städten in ganz Deutschland verfügbar – von Hamburg bis an den Bodensee. Ausleihen kann man sich die Cargobikes ganz einfach per App. Diese ermöglicht es auch, die Räder unterwegs per Rahmenschloss zu verriegeln und wieder zu entriegeln. Die Preise unterscheiden sich zwischen den einzelnen Standorten. An der Station in der Hamburger Starstraße kostet die erste halbe Stunde derzeit beispielsweise 2,50 EUR.

Weitere Informationen gibt es unter www.sigo.green

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