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Warum autonome Fahrzeuge wie Spielzeug aussehen

Ob in Hamburg, Berlin oder Lauenburg – autonome Test-Fahrzeuge lassen sich mittlerweile immer häufiger im Straßenverkehr beobachten. Dabei fallen die fahrerlosen Automobile häufig mit rundlichen Formen und bunten Farben auf. Ein Design, das an Spielzeug-Autos erinnert: bloßer Zufall oder ausgeklügeltes Konzept?

Breite Karosserien, muskulöse Proportionen und ein aggressiver Blick – insbesondere aktuelle Sportwagen und SUVs setzen in Sachen Design auf markante Linien und ein dynamisches Äußeres. Doch es gibt auch Fahrzeuge, die eine völlig andere Formensprache wählen. Mit weichen Kanten, runden Proportionen und Lichtsignaturen, die an ein menschliches Gesicht erinnern, stechen sie aus der Masse der gewohnten Auto-Designs heraus. Die Rede ist von autonomen Fahrzeugen.

Selbstfahrende Mini-Shuttles: Niedlich und vertraut

Anders als häufig angenommen wird, gibt es auf deutschen Straßen bereits eine ganze Menge von ihnen. Ob Lauenburg in Schleswig-Holstein, Berlin, Düsseldorf, Aachen, Hamburg oder Leipzig – die Liste der Städte, die sich an Pilotprojekten zum autonomen Fahren beteiligen, ist lang. Neben Testfahrzeugen der Autohersteller handelt es sich in den meisten Fällen bei den fahrerlosen Mobilen um kleine Shuttle-Busse, die im Rahmen regionaler Verkehrsprojekte getestet werden. Dabei wirken die kastenförmigen Busse häufig wie überdimensionierte Spielzeuge, die auf festgelegten Routen mit geringer Geschwindigkeit ihre Bahnen ziehen.

Ihre Navigation im „offenen Feld“ stellt dennoch eine riesige Herausforderung dar. Denn um sicher durch den Verkehr zu kommen, müssen sich die Busse permanent mit anderen Verkehrsteilnehmern abstimmen. Eine wichtige und zugleich hochkomplexe Aufgabe, die ein hohes Maß an Kommunikation voraussetzt. Und an genau diesem Punkt kommt das auffällige Design der selbstfahrenden Shuttles ins Spiel.

HEAT in Hamburg: Fahrer- aber nicht orientierungslos: Der HEAT sucht sich seit 2019 seinen Weg durch die Hamburger Hafencity. © Hochbahn Hamburg

Kommunikation mit der Umgebung

Denn mit ihren auffälligen Formen, Farben und Lichtsignalen können die rollenden Roboter verschiedenste Stimmungen und Informationen nach außen transportieren. Für ein Fahrzeug ohne menschlichen Fahrer eine ideale Möglichkeit und auch eine Notwendigkeit, sich mit seiner Umgebung auszutauschen. Dabei soll die spielzeugähnliche Formensprache möglichst freundlich und einladend auf seine Umgebung wirken.

Auf diese Weise wird eine erste Brücke zwischen Mensch und Maschine geschlagen, die Vertrauen aufbaut und Anknüpfungspunkte für weitere Interaktion schafft. Die Idee: Hat ein Mensch sich erst einmal auf das ungewöhnliche Objekt eingelassen, können Lichtsignale die weitere Kommunikation übernehmen. Dabei setzen viele Fahrzeuge auf eine gesichtsähnliche Front, um menschliche Blicke und Gesten zu imitieren oder über eine digitale Anzeige sprachlich mit den Menschen zu kommunizieren.

Helle und bunte Farben wie bei diesem Modell von ioki sorgen für ein zugewandtes Interesse beim Passanten. © ioki GmbH

Ein Blick sagt mehr als tausend Worte

Ein Hersteller, der diesen Ansatz auf die Spitze treibt, ist der britische Autobauer Jaguar Land Rover, der seine selbstfahrenden Mini-Shuttles mit zwei großen „Augen“ ausgestattet hat. Mit ihnen können die rollenden 4-Mann-Kabinen Passanten direkt „anblicken“, was für mehr Vertrauen im Straßenverkehr sorgen soll. Jaguar Land Rover verweist auf eine Studie, nach der sich über 63 Prozent der Teilnehmenden im Straßenverkehr weniger sicher fühlen, sobald autonome Fahrzeuge unterwegs sind. Der Hersteller testet die Shuttles derzeit, um herauszufinden, „ob es sinnvoll ist, die Menschen mit umfassenden Absichten eines Fahrzeugs zu versorgen oder ob man einen Fußgänger einfach nur wissen lässt, dass er erkannt wurde und auf diese Weise Vertrauen aufbaut“, so Pete Bennett, Manager für Future Mobility Research bei Jaguar Land Rover, zum Magazin „Auto Motor und Sport“.

Mit Blickkontakt sicher durch den Verkehr: Der "Pod" des britischen Herstellers Jaguar Land Rover setzt auf altbewährte Mittel. © Jaguar Land Rover

Andere Hersteller haben einen ähnlichen Weg gewählt und testen den Einsatz von verschiedenen Lichtsignalen. So etwa die Projektgruppe interACT, an der sich BMW, Fiat, Bosch, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der Elektronik-Experte Hella beteiligen. Mit ihrer Forschungsarbeit wollen sie sozio-psychologische Hintergründe der Kommunikationsanforderungen im Straßenverkehr untersuchen. Ziel ist es, mit Lichtanlagen verschiedenste Projektionen, Symbole oder Farben zu entwickeln, die von anderen Verkehrsteilnehmern eindeutig, intuitiv und weltweit erkannt werden können.

Non-verbale Kommunikation von Mensch zu Maschine: Ein Ansatz, der auch die Entwickler von aktuellen Autos inspiriert und der es abgewandelter Form auch schon in Serien-Fahrzeuge geschafft hat. So ist der elektrische ID.3 von Volkswagen zum Beispiel dazu in der Lage, seinen Ladestand über eine Lichtsignatur mitzuteilen, die ebenfalls an ein menschliches Auge erinnert. Nähert sich der Fahrer dem Kompakt-Stromer, „zwinkert“ das Auto ihm damit sogar zur Begrüßung zu. Das Gleiche gilt auch für beim Verlassen des Fahrzeugs. Das Konzept mit dem sogenannten „human touch“ soll dem Fahrer ein Gefühl von emotionaler Geborgenheit vermitteln und Vertrauen aufbauen. Immerhin sollen updatefähige Fahrzeuge wie der ID.3 künftig auch immer selbstständiger im Straßenverkehr unterwegs sein.

(Aufmacherfoto: © ioki GmbH)

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