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Autonomes fahren – zwischen German Angst und Technikeuphorie
Das automatisierte und autonome Fahren hat das Potenzial, unsere Mobilität nachhaltig zu verbessern. Hersteller, Zulieferer und Start-ups investieren Milliarden in die neue Technologie. Doch wie steht es eigentlich um die Akzeptanz bei den potenziellen Nutzern?
Hype um Level 5 ebbt ab
Leise drehen sich Fahrer- und Beifahrersitz um 180 Grad, während in der Mitte des Innenraums ein Tisch aus dem Boden hochfährt und das Lenkrad im Armaturenbrett verschwindet. Die Seitenscheiben mutieren zu großen Bildschirmen, der Fahrer gönnt sich eine Auszeit und avanciert zum Passagier. Das Fahrzeug hat die Kontrolle übernommen. Mobile Utopie? Die Vision der Automobilindustrie und neuer Player scheint sich genau an diesem Bild zu orientieren: Der Pkw soll in naher Zukunft zu einem weiteren Lebensmittelpunkt neben Büro und Zuhause werden, wo der Mensch arbeiten und schlafen kann. Bis es soweit ist, müssen noch viele technische Hürden überwunden werden. Assistenzsysteme der Stufe 2+ sind mit teilautomatisierten Fahrfunktion sind derzeit der Standard auf dem Markt. Erste Stauassistenten auf Level 3, die im Stop-and-Go-Verkehr auf Autobahnen selbstständig lenken, gibt es ebenfalls. BMW mit Intel, aber auch mit Daimler und Fiat Chrysler, Daimler mit Bosch, Jaguar Land Rover mit Waymo – Hersteller und Zulieferer schließen fleißig Allianzen. Denn ohne Partner schaffen es selbst die Marktführer nicht, selbstfahrende Autos auf die Straße zu bringen. Viele Milliarden haben die Unternehmen schon in die Entwicklung des autonomen Fahrens gesteckt. Doch die vollständige Übergabe der Steuerung vom Menschen zur Maschine stockt. Manche Hersteller sind wieder abgesprungen. Die optimistischen Verlautbarungen um Level 4 und 5 sind leiser geworden, der Hype ebbt ab. Experten halten eine Einführung bis 2025 realistisch, andere erst für 2030 und später.
High-Tech-China enthusiastisch
Zudem gibt es weiterhin keinen gültigen Gesetzesrahmen – Rechte und Pflichten der Fahrer, Hersteller und regelnder Software sowie der Versicherung sind in diesem Modus noch völlig unklar. Und dann wäre da das Thema Akzeptanz. Schließlich obliegt es der Elektronik und nicht mehr den Menschen, mit dem Fahrzeug die richtigen Entscheidungen zu treffen. Audi hat zur Akzeptanzfrage kürzlich eine Studie veröffentlicht. Darin wurden insgesamt 21.000 Menschen aus neun Ländern auf drei Kontinenten zu ihrer Einstellung zum autonomen Fahren befragt. Egal woher die Befragten stammen, es herrscht großes Interesse und Neugier an dem Thema. Vor allem Männer zeigen sich gegenüber der Nutzung von selbstfahrenden Fahrzeugen aufgeschlossen. Dennoch gibt es auch klare Bedenken, mangelndes Vertrauen in die Technik und in ihre Zuverlässigkeit, Datenschutzbedenken, Angst vor Kontrollverlust, sind Beispiele für diese Vorbehalte. Was auffällt: Desto jünger und gebildeter die Befragten, desto positiver ist die Einstellung. Vor allem im technikaffinen China stehen die Befragten dem Thema geradezu euphorisch gegenüber. In Europa sind es die Menschen in Italien und Spanien, die überdurchschnittlich positiv der Technologie begegnen. In Deutschland und Frankreich sind die Menschen dagegen noch zurückhaltender, ebenso in Großbritannien und den USA.
German Angst?
Laut einer Umfrage von Bitkom möchte jeder Dritte Deutsche nicht auf den Spaß am Selbstfahren verzichten. Nur 11 Prozent der Deutschen meinen, es gebe keine Nachteile beim autonomen Fahren. Drei Viertel der Bundesbürger sehen allerdings auch Vorteile. Am häufigsten genannt werden eine geringere Umweltbelastung und ein besserer Verkehrsfluss. Nur rund jeder Vierte erwartet durch den technologischen Fortschritt mehr Sicherheit für die Fahrzeuginsassen. Und gerade einmal 14 Prozent gehen davon aus, schneller ans Ziel zu kommen. Verschiedene Studien zeigen, dass Fachkenntnis und insbesondere individuelle Erfahrungen mit der Technologie zu einer höheren Akzeptanz beitragen. Experten schlagen Living Labs vor, beispielsweise auf der IAA, wo unter Einbindung der Öffentlichkeit und Käufergruppen, dem Menschen autonomes Fahren reell vermittelt wird. Auch führt die hohe mediale Präsenz des Themas bisher nicht zu steigender Akzeptanz – vielleicht auch aufgrund von Berichten von Unfällen mit automatisierten Fahrzeugen. In den USA kam es Fahrten mit Systemen von Waymo, Uber und Tesla bisher zu sechs tödlichen Unfällen. Dort erproben mehr als 60 Unternehmen auf öffentlichen Straßen ihre Testflotten.
Robotaxis – Zukunftstrend oder sinnlos?
Mittlerweile spalten die Hersteller die Entwicklung des Autobahnpiloten, der bei Privat-Pkw zum Einsatz kommen soll, von der Entwicklung von Robotaxi-Flotten ab. Zum einen, weil der Verkehr in der Stadt anspruchsvoller ist als auf Autobahnen, und zum anderen, weil sich das Geschäftsmodell „Autobahnpilot“ zu sehr vom Geschäftsmodell „Robotaxi“ unterscheidet. Schließlich ist das autonome Auto eng verknüpft mit Car- oder dem Ridesharing. Und erst dadurch amortisiert sich die Technik amortisiert, wenn sie in Flotten ohne Fahrer eingesetzt wird. So bietet es sich in der City an, statt dem privaten Pkw das Robotaxis oder größere People Mover zu nutzen. Sie können jederzeit und ohne große Wartezeit verfügbar sein und bringen ihre Fahrgäste bequem von Tür zu Tür. Nervige Parkplatzsuche und teure Parkgebühren entfallen. Die Unternehmensberatung Deloitte hat in einer umfassenden Studie die neue Mobilitätsform untersucht, auch zur Akzeptanz von Stadtbewohnern. Rund ein Drittel der Verkehrsteilnehmer würde auf ein autonomes Flottenfahrzeug umsteigen, wenn sie maximal zehn Minuten auf dessen Ankunft warten müssten. Bei Schülern und Senioren sind dies rund 40 Prozent der Befragten, bei berufstätigen Autofahrern dafür nur gut jeder Vierte. Folgt man dagegen einer Umfrage der Unternehmensberatung Alixpartners, dann würden 50 Prozent der Deutschen auf ein eigenes Auto verzichten, in China sind es sogar über 80 Prozent.
Allgemeinen Erwartungen, dass die selbstfahrenden Fahrzeuge zu weniger Staus führen, werden sich nach Meinung der Deloitte-Studie nicht erfüllen. Die Anzahl der zugelassenen Fahrzeuge wird zwar sinken, aber durch die hohe Auslastung der Robotaxis und -shuttles steigt wiederum die urbane Verkehrsbelastung. Und mit der Zunahme der Dienste sinken zwar die Fahrkosten, damit erwächst aber eine Konkurrenz zum öffentlichen Nahverkehr. Schon heute ersetzen Anbieter wie Uber oder Lyft nicht die Fahrt mit dem eigenen Auto, sondern vielmehr Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln, Fahrrädern oder den Fußweg. Eine Analyse des VDI kommt zu dem Schluss, dass die Flotten zu mehr Lebensqualität in den Städten führen. Rund 40 Prozent der Befragten erhoffen sich ein eher hohes bis sehr hohes Potenzial bei der Zeitersparnis. Klar ist: Es gibt nicht die eine Studie und die eine Wahrheit. Das Thema autonomes Fahren bewegt jedenfalls weltweit die Menschen.
(Aufmacherfoto © Audi AG)